Originaltitel: Obet
Produktionsland: Slowakische Republik, Tschechische Republik, Deutschland

Darsteller: Elizaveta Maximová, Vita Smachelyuk, Alena Mihulová, Igor Chmela, Gleb Kuchuk, Viktor Zavadil, Inna Zhulina
u.v.a.

Drehbuch: Jakub Medvecký
Regie: Michal Blaško

Genre: Drama
FSK: 12
Länge: 91 Min.

Produktionsfirma: Nutprodukcia, Nutprodukce

Filmstart in den USA: 05. September 2022
Filmstart in Dtl.: 06. April 2023


Die Ukrainerin Irina lebt alleinerziehenden mit ihrem Sohn in einer tschechischen Kleinstadt. Ihr Sohn Igor ist 13 Jahre alt und wird eines Nachts Opfer einer Jugendbande Er wird schwer verletzt in ein Krankenhaus eingewiesen. Fortan versucht die Polizei in diesem Fall zu ermitteln, was für Irina nicht genug ist…

Eine Mutter im Fokus der Gesellschaft

Irina ist auf sich gestellt. Kann es Gerechtigkeit für sie geben? © rapid eye movies

Der Fall ihres Sohnes liegt ihr schwer im Magen. Deshalb ist es für sie unverständlich, warum die Polizei so halbherzig bei der Sache. Allerdings hat sie die ganze Stadt auf ihrer Seite, die sie vollends verstehen kann. Eine Mutter, die alles für ihren Sohn tun würde, offenbart dies gleich zu Beginn des Films, als sie von dem Überfall auf ihren Sohn erfährt. Sie war in dem Moment anderweitig unterwegs, was bedeutete, dass sie einen weiteren Weg zum Krankenhaus hat. Sie ist bereit Unsummen zu zahlen, nur um schnellstmöglich zu ihrem Sohn zu gelangen. Doch Irina hat es nicht leicht im neuen Land. Sie sieht sich immer wieder Ausländerfeindlichkeit gegenüber, die System zu haben scheint. Diskrimierungen und Vorurteile sind dabei keine Seltenheit. Während sie sich liebevoll darum kümmert, dass es ihrem Sohn im Krankenhaus bald besser geht, stürzt sich währenddessen die Medienlandschaft auf den Fall. Regisseur Michal Blaško schildert eindringlich, dass Medien und Politik alles dafür tun würden, um in einem positiven Kontext zu stehen. Es ist die Gier nach Macht, koste es was es wolle. Und wenn dabei die Bevölkerung manipuliert wird, ist das eine Realität, die nicht erst seit jetzt von Machthabern genutzt wird. Der zwischenmenschliche Kontext zeigt, dass es menschliche Abgründe nicht nur im Film gibt, sondern brutale und kalte Realität sind. Die Protagonistin im Film erfährt es u.a. dadurch, dass sie ihr Auto mit eingeschlagenen Scheiben vorfindet. Die Darstellerin Vita Smachelyuk sagt dazu folgendes:

„Als ich den Drehbuchentwurf erhielt, war ich von den realistischen Dialogen beeindruckt. Das Drehbuch ist atmosphärisch dicht und psychologisch genau ist. Die Transformation der Protagonisten unter dem Einfluss der Ereignisse ist logisch aufgebaut. […]“

Eine Kampagne zum Zwecke der Macht?

Die Gier nach Macht existiert nicht nur in den ganz großen Ländern. Auch in Europa ist sie allgegegenwertig. Auch in solchen Kleinstädten wie die, wo Irina lebt. Auf den Rücken der Gesellschaft nutzt die Politik sehr gern unlautere Mittel, um nicht nur berüchtigt zu sein. Zeitgleich rückt eine politische Kampagne mehr und mehr in den Vordergrund. Der Film zeigt exemplarisch, dass Wahrheit und Lüge naheinander liegen, aber dennoch sehr schwer auseinandetzuhalten sind. Damit steht die alleinstehende Mutter zwischen den Fronten, die wohl nun eine Entscheidung treffen muss. Auf der einen Seite ist der Schutz der Familie sehr wichtig und durch nichts aufs Spiel zu setzen. Doch was sollte man tun, wenn es angebracht ist die ungeschönte Wahrheit an den Tag zu bringen? Würden wir uns prompt entscheiden können? Ein Zwiespalt, der sehr realistisch dargelegt ist und durchaus auch uns passieren kann, wenn wir die Möglichkeit haben für etwas Gutes einzustehen. Sollte es nicht das Ziel uns aller sein, die Gesellschaft besser zu machen? Auf etwas aufmerksam machen oder zu kämpfen ist keine Revolte, sondern reine Demokratie, wenn man es sachlich angeht. Und diese Möglichkeit hat auch Irina, die sich zudem in einen neuen Land zurechtfinden und sich den nötigen Respekt erarbeiten muss.

Zwei Handlungsstränge, die mehr und mehr zusammenlaufen

Ein junger Regisseur mit Visionen. © 2019 Michal Blaško.

Die Geschichte, bzw. Beziehung zwischen Mutter und Sohn und die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft sind eng miteinander verknüpft, wobei auch Überschneidungen möglich sind. Eine Variante, welche es ermöglich eine Geschicht zu erzählen, die auf mehreren Ebenen eng gestrickt ist. Die beste Möglichkeit, um Emotionalitäten besonderen Ausdruck zu verleihen. Aber ist es stets nur die große Seite, die es genießt manipulativ zu sein? Was ist, wenn man plötzlich selbst lügen würde, um sich einen Vorteil zu verschaffen? Dem Drehbuch gelingt es so noch einen weiteren Angelpunkt zu schaffen, und darüber hinaus den Zwiespalt auf die Spitze zu treiben. Im wirklichen Leben herscht ein erbarmungsloser Krieg in der Ukraine. Doch im Film wird dies nicht verbaut. Der Regisseur Michal Blaško hatte dafür sehr gute Gründe, wie im folgenden Zitat herauszulesen ist:

„Wir haben viel darüber gesprochen. Der Krieg hat VICTIM zu einem semi-historischen Film gemacht. Letztendlich beschlossen wir, dieses Thema nicht einzubeziehen, da die Story wenig Bezug zur Ukraine hat und von Menschen handelt, die in der Tschechischen Republik leben und zufällig ukrainische Pässe haben. Die Ukraine als Land spielt in dem Film keine Rolle. Wichtig ist jedoch, dass die Protagonisten sich nicht als Tschechen fühlen und als Ausländer betrachtet werden.“

Fazit: Blaško setzt mit seinem Langspielfilmdebüt eine besondere Marke. Er thematisiert Rassismus, Fake News und politische Instrumentalisierung in seinem (Gesellschafts)Drama, was leider in Wirklichkeit noch immer Realität ist. Er schildert nicht nur eindringliche Ereignisse, sondern lässt uns daran teilhaben was eine alleinerziehende Mutter dabei fühlt. Ein Zwischenmenschlichkeit, die nicht tiefgründig zum Ausdruck, sondern auch clever weitergestrickt wird, so dass wir uns selbst fragen, was man in jener Situation entscheiden würde. Ist Moral immer das höchste Gut, was es zu verteidigen gilt? Und welcher Religion gehören die vermeintlichen Täter im Film an? Eine Frage, die wir uns auch im Unterbewusstsein stellen, wenn wir in den Nachrichten lesen, dass es Überfälle auf Menschen gab. Egal wie der Film letztendlich ausgeht, er regt definiv zum nachdenken an. Und wenn ein Regisseur sowas in seinem Spielfilmdebüt schafft, hat er definitiv Vieles richtig gemacht.


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Quelle des Titelbildes: © rapid eye movies
Quelle der Zitate: Presseverteiler Greenhouse PR.


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2 Gedanken zu “Victim [2022] oder der Zwiespalt zwischen Moral und Wahrheit

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