Originaltitel: Boyhood
Produktionsland: USA
Darsteller:
Ellar Coltrane: Mason, Patricia Arquette: Mom, Ethan Hawke: Dad, Marco Perella: Professor Bill Welbrock, Lorelei Linklater: Samantha u.v.a.
Regie und Drehbuch: Richard Linklater
Genre: Drama, Coming of Age
Länge: 165 Min.
FSK: 6
Produktionsfirma: IFC Productions
Verleiher: Universal Pictures
Filmstart in den USA: 19. Januar 2014 (Sundance Film Festival)
Filmstart in Dtl.: 05. Juni 2014
Start der Blu-ray/DVD: 6. November 2014
Ein Streifzug durch Kindheit und Jugend
Familienalbum in bewegten Bildern
Wieder einmal eine Filmkritik über einen Coming-Of-Age Film. Warum habe ich mir erneut einen Film über dieses Thema ausgesucht? Zum einen war die Erfahrung mit The Perks of Being a Wallflower mehr als überzeugend. Außerdem hat er mit „Boyhood“ etwas gemeinsam. Auch hier schrieb der Regisseur das Drehbuch selbst. Mit dem kleinen Unterschied, dass der Regisseur beim erst genannten Titel auch das Buch schrieb.
Wir erleben die Entwicklung eines Jungen namens Mason (6. Lebensjahr bis Collegealter), der mit allen Facetten des Aufwachsens gespickt ist. Themen wie Scheidung, ständige Umzüge, viele Affären der Mutter, Alkoholmissbrauch, Drogen bzw. Pubertät sowie die Interessen von Mason werden im Film behandelt. Die Geschichte beginnt, als er sechs Jahre alt ist. Der Junge lebt bei seiner Schwester Samantha und Mutter Olivia, jedoch ohne Vater, der getrennt von seiner Frau lebt und eine Musikkarriere anstrebt. Olivia beschließt, ein Studium in einer anderen Stadt zu beginnen, um später im Arbeitsleben bessere Möglichkeiten zu erreichen. Als Studentin lernt sie verschiedene Theorien kennen. U.a. die Bindungstheorie von John Bowlby, welche besagt, dass Erlebnisse der Kinder in frühen Jahren in der Beziehung zu den Eltern grundlegend bestimmend für die weitere Entwicklung sein können.
Charaktere mit sensibler Tiefenzeichnung

An vorderster Front ist Ellar Coltrane zu nennen, der den anfangs sechsjährigen Mason verkörpert. Im Laufe des Films wird der Junge älter, sodass man ihn bis zum Collegealter begleiten kann. Im wahrsten Sinne des Wortes wuchs Coltrane in die Rolle hinein und mit ihr auf. Mason, den er im Film verkörpert, muss mit ansehen, wie sein junges Leben auf den Kopf gestellt wird. Die Mutter, wunderbar gespielt von Patricia Arquette, möchte noch einmal studieren und zieht mit ihren beiden Kindern Mason und Samantha (Lorelei Linklater; Tochter des Regisseurs) nach Texas. Bevor sie dies tut, sieht man wunderbar, wie sehr sie auf die schönen Dinge des Lebens verzichten muss und stattdessen auf die Kinder aufpasst. Der Freund möchte ausgehen und ist sauer, dass Olivia wegen der Verpflichtungen darauf verzichtet. In Zwietracht mit ihm machen sich Traurigkeit und Wut zugleich bei ihr deutlich bemerkbar. Eine Mutter, die auf vieles verzichtet, um für das Wohl der Kinder und deren Wertevermittlung sorgen zu können. Aber auch der Geschwisterzwist ist allgegenwärtig. Masons Schwester Samantha steht gerne im Mittelpunkt und nervt sehr gerne ihren Bruder. Sie spielt schon sehr gerne Mutter und Sohn gegeneinander aus, was schlussendlich der Mutter den letzten Nerv raubt. Nicht vergessen sollte man Ethan Hawke (3 Oscarnominierungen, zweimal unter Linklater), der Mason Sr., den Vater von Mason spielt. Dieser lebt seit geraumer Zeit in Scheidung. Hat aber nun die Möglichkeit, seine Kinder häufiger zu sehen. Alle Darsteller blieben zwölf Jahre lang an Bord. Dabei ist es ihnen immer gelungen, ihre Figuren authentisch darzustellen. Damit bleiben sie über den gesamten Film für den Zuschauer glaubhaft.
Regisseur Richard Linklater begann 2002 ein außergewöhnliches Projekt. Außergewöhnlich deshalb, weil die Dreharbeiten 12 Jahre andauerten und immer die gleichen Schauspieler dabei waren. Damit war gegeben, dass man die Darsteller nicht durch eine aufwendige Maske altern lassen musste. Die Zuschauer können 164 Minuten zusehen, wie der Hauptdarsteller aufwächst, bzw. alle anderen Charaktere älter werden. Und für ein besonderes Drehbuch hatte R. Linklater schon immer ein Händchen. Dabei sei nur seine Before-Reihe erwähnt, die sich in drei Filmen thematisch über die Jahre hinweg fortsetzt: „Before Sunrise“ (1995), „Before Sunset“ (2004), „Before Midnight“ (2013). Auch dort kümmerte sich der Regisseur selbst um das Drehbuch und erhielt dabei ebenfalls gute Kritiken. In allen Filmen ist Ethan Hawke der Hauptdarsteller gewesen. In „Boyhood“ bekleidet er eine wichtige Nebenrolle und stellt die Vaterfigur für Mason dar. Zwar ist der Vater selten zu Hause und missachtet schon mal die terminlichen Planungen der Mutter, jedoch kümmert er sich aufopferungsvoll um seine Kinder, wenn sie das Wochenende bei ihm sind. In diesen Zeiten bringt er ihnen richtige Kommunikation bei oder klärt seine Tochter über Verhütung auf, was zur Situationskomik führt, was Hawke natürlich brillant spielt. Dann stärkt er den Gemeinschaftssinn, indem er mit ihnen ein Baseballspiel besucht oder ihnen was in gemütlicher Runde vorsingt. Was natürlich auch witzig ist, dass er während einer Autofahrt einen Song Mason genauer erklärt und anschließend mitsingt.

Soundtrack mit Indienote
uch der Soundtrack zum Film hat einiges zu bieten. Coldplay wartet mit dem etwas ruhigen Song „Yellow“ auf. Stimmungsvoll und rockig wird es dagegen mit The Hives, die „Hate To Say I Told You So“ zum Besten geben. Die Indie-Rockband Vampire Weekend weiß mit „One (Blake’s Got A New Face)“ zu gefallen. Mit Paul McCartney And Wings ist der Oldie „Band On The Run“ zu hören. Und die Band Family of the Year gibt mit „Hero“ einen echten Ohrwurm zum Besten. Das Produktionspersonal achtete explizit darauf, dass die gespielten Songs im Film auch wirklich zu der jeweils spielenden Zeit bereits erschienen waren. Der Gitarrenspielende Straßenkünstler im Film ist Bruce Salmon und der Vater von Ellar Coltrane. Salmon ist ein Musiker aus Austin, TX, dort, wo auch sein Cameo-Auftritt spielt. Ansonsten glänzt der Film mit weiteren Referenzen aus der Popkultur, welche nahezu einladen, um was für sich selbst zu entdecken. Die Kinder spielen Computer oder besuchen eine große Veranstaltung zum Thema Harry Potter. Zum anderen sprechen Vater und Sohn über Star Wars und wie es nach Episode VI weitergehen könnte.

Oscarverleihung 2015: Den Preis für die Beste Nebendarstellerin konnte Patricia Arquette gewinnen. Weitere Nominierungen ohne Auszeichnung gab es in den Kategorien: Bester Film, Beste Regie (Richard Linklater), Bester Nebendarsteller (Ethan Hawke), Bestes Originaldrehbuch (Richard Linklater) und Bester Schnitt (Sandra Adair).
Mehrere Preise gab es dafür bei den Golden Globes. Best Motion Picture (Drama), Best Director (Richard Linklater), Beste Nebendarstellerin (Patricia Arquette).
Zum Abschluss noch ein wenig Trivia: Nebendarsteller Ethan Hawke überreicht im Film seinen Sohn das Black Album der Beatles. Im wirklichen Leben stellte er dies für seine Tochter Maya zusammen, die sehr darunter litt von ihrer Mutter Uma Thurman getrennt zu sein, da die Ehe geschieden wurde. Auch Patricia Arquette machte während der langjährigen Drehzeit eine Scheidung durch. Keiner der Darsteller war vertraglich verpflichtet, jedes Jahr zu den Dreharbeiten zu erscheinen, da es ein Gesetz namens De Havilland nach dem kalifornischen Arbeitsgesetzbuch gab. Dort ist beschrieben, dass es illegal ist für mehr als sieben Jahre jemanden mit Arbeit zu beauftragen.
Fazit: Dieser Film bekommt von mir Bestnoten. Richard Linklater ist hier ein echter Meilenstein der Filmgeschichte gelungen. Die Eigenschaften „bezaubernd“, „einzigartig“ oder „schön“ sind fast schon eine Untertreibung. Denn der Film ist eigentlich viel mehr, was man nicht in Worte ausdrücken kann. Nie war eine Geschichte so realistisch, wie Boyhood. Alltägliche Momente kommen hier zum Ausdruck, die wohl fast jeder selbst erlebt hatte, bzw. dies im Film wiedererkennen wird. Dazu wird u.a. die Frage gestellt, wer man denn sein möchte, was unmittelbar mit dem Verhalten der Kinder zu tun hat. Dazu brillieren Patricia Arquette und Ethan Hawke in ihren Nebenrollen. Das abwechslungsreiche Szenenbild tut dabei sein übriges. Aus diesem Grund solltet ihr euch auf Linklaters Werk einlassen, um sich von seiner Geschichte verzaubern zu lassen. Ihr werden es nicht bereuen.
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Lesenswerte Kritiken von anderen Bloggern zum Film:
Vielen Dank, dass Ihr den Artikel gelesen habt. Lasst doch gerne ein Like da, wenn es euch gefallen hat. Ihr habt einen Gedanken zum Text oder generell zum Blog? Dann postet es mir gerne unten in die Kommentare. Ansonsten ließt man sich im nächsten Artikel. Bis bald…
6 Gedanken zu “Boyhood [2014] oder die Geschichte einer besonderen Jugend”