„Freunde kommen und gehen, wie Kellner in einem Restaurant“

Zitat aus dem Film
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Originaltitel: Stand by Me
Produktionsland: USA

Darsteller:
River Phoenix: Chris Chambers, Wil Wheaton: Gordie Lachance, Corey Feldman: Teddy Duchamp, Jerry O’Connell: Vern Tessio, Kiefer Sutherland: Ace Merrill, John Cusack: Denny Lachance, Casey Siemaszko: Billy Tessio, Richard Dreyfuss: The Writer u.v.a.
Regie: Rob Reiner
Buchvorlage: Stephen King (novel), Drehbuch: Raynold Gideon

Genre: Drama, Abenteuer, Coming of Age
Länge: 89 Min.
FSK: 6

Produktionsstudio: Columbia Pictures Corporation
Verleiher: Sony Pictures Home Entertainment

Premiere USA: 27. Oktober 1986
Kinostart Dtl. (West): 26. Februar 1987
Start der Blu-ray: 25. August 2011


Ort des Geschehens ist die idyllische Kleinstadt Oregon im Jahre 1959. Dort machen sich vier Freunde auf die Suche nach einer Leiche. Dabei haben sie das Ziel, sich als Helden feiern zu lassen. Paradies-Vogel Teddy (Corey Feldman), Angsthase Vern (Jerry O’Connell), der sensible Gordie (Wil Wheaton) und der toughe Chris (River Phoenix) brechen nun zu einer zweitägigen Wanderung auf, die sich als gutes Mittel für die Selbstfindung herausstellen wird. Jedoch verläuft das Abenteuer nicht ganz ohne Zwischenfälle. U.a. werden sie von einer einheimischen Jugendbande gewaltsam bedroht. Sind sie auch bereit, ungeahnte Situationen zu meistern? …

Darsteller mehr sie selbst – als Schauspieler

Bis auf Jerry O‘ Connell hatten die anderen drei Jungdarsteller schon vor „Stand By Me“ Erfahrungen im Serien- bzw. Filmgeschäft sammeln können. Aber Regisseur Rob Reiner legte viel Wert darauf, dass die Jungs mehr sie selbst sein sollten und nicht so viel schauspielern mussten. Gerade dieser Umstand formte die Youngsters zu einer echten Einheit vor der Kamera. Nicht nur die Harmonie im Film spricht für sich. Auch der Zuschauer hat das Gefühl, hier eine reale Geschichte zu erleben. Dabei ging es hinter den Kulissen schon mal etwas rauer zu, wenn nicht gleich jede Szene so klappte, wie sich es Rob Reiner vorgestellt hatte. Auf seine eigene Art und Weise hatte er seine Darsteller zu Bestleistungen angetrieben.

Das Gemeinschaftsgefühl der vier Freunde wird in einigen Szenen exemplarisch ausgedrückt und zeigt den Puls der Zeit, wie Freundschaften in den 1950er-Jahren gelebt worden sind. Man sitzt zusammen und erzählt sich Witze oder Geschichten. Auch Steine in Dosen werfen gehört zu diesem Film. Was man heutzutage nicht mehr erlebt, ist der Fakt, dass unterwegs gesungen wird. Eventuell tun dies noch Kindergartengruppen, aber keinesfalls Jugendliche, da sie heutzutage das Gemeinschaftsgefüge anders ausleben. Und die Wahl des gewählten Songs „The Ballad of Paladin von Johnny Western ist interessant, welcher 1962 veröffentlicht worden ist. Die Macher des Filmes umkurvten jedoch eine zeitliche Überschneidung mit dem Jahr 1959, weil dieses Lied die Titelmelodie der Westernserie Have Gun – Will Travel (1957 – 1963) stellte. Insofern kannten Chris und Co. das Lied wohl aus dem Fernsehen. Westernserien hatten in den 1950er und 1960er Jahren Hochkonjunktur in den USA. In dem Liedtext geht es um einen Mann, der mit seiner Waffe in einem wilden Land unterwegs ist und einen Ritter ohne Rüstung darstellt. Den Vieren fehlt ebenfalls eine Rüstung, nämlich das Erwachsensein, jedoch mit einer Waffe in der Tasche, die im weiteren Verlauf für etwas Sinnbildliches stehen wird. Das Lied zitiere ich hier in einem besonderen Special im eingefügten Bild am Anfang des Textes.

Dass Kinder trotz schlechter Erfahrungen mit ihren Eltern diese vergöttern, ist keine Seltenheit. Dieses Phänomen trifft hier im Film auf Teddy zu. Dessen Vater hat Teddy beinahe das linke Ohr verstümmelt, als er es ans Feuer gehalten hatte. Trotzdem verteidigt er seinen Erzeuger, als dieser von einem Mann durch den Kakao gezogen wird. In einer Szene wird sehr deutlich, dass Jungdarsteller über sich hinauswachsen können, als die von R. Phoenix gespielte Figur Chris seinem besten Freund Gordie erzählt, dass er darunter leidet, dass Menschen wie er selbst für alles abgestempelt werden, nur weil sie aus schlechteren Verhältnissen stammen. Als Beispiel dient dafür der größere Bruder, der es wohl zu nichts gebracht hatte. Also kann nach Ansicht der Leute aus Chris auch nichts werden. Aber dieses typische Schubladendenken steckt auch heute noch in den Köpfen der Menschen. Und es macht etwas mit denen, die darunter zu leiden haben. Und die besagte Szene im Wald spiegelt perfekt wider, was Chris wirklich fühlt und denkt. In einer anderen sehr anschaulichen Szene wird indirekt die Unschuld in Form eines Rehs dargestellt, welches eben für die Unschuld steht.

„Das Publikum fühlt in dieser sehr rührenden Szene mit Chris. Wo man sieht, dass Chris als schlechter Junge gilt. Und er meint, dass er das nicht überwinden kann. Damit kann sich jeder identifizieren, entweder ist man selbst das Kind, oder man kennt es. Die Szene ist sehr hart.“

Wil Wheaton über die Nachtszene, als Chris und Gordie am Lagerfeuer ein emotionales Gespräch führen
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Erleben gemeinsam ein großes Abenteuer: Gordi (Wil Wheaton), Chris (River Phoenix), Vern (Jerry O’Connell) und Teddy (Corey Feldman). © 1986 Columbia Pictures Industries, Inc. All Rights Reserved.

Regisseur Rob Reiner beim dritten Streich erfolgreich

Reiner führte mit diesem Film zum dritten Mal Regie. Seine zweite Arbeit hieß Der Volltreffer (1985). Und als solchen kann man Stand By Me bezeichnen. Die Geschichte selbst entsprang der Stephen King-Novelle Die Leiche (The Body), welche von Reiner zu einer sensiblen und melancholischen als auch zu einem romantischen Abenteuer-Film gereift ist. Die Atmosphäre eines Sommers im Jahr 1959 wurde hier perfekt eingefangen und schafft es gegen Ende des Filmes wehmütige Emotionen auszulösen. Einen großen Anteil daran hat auch Drehbuchautor Raynold Gideon. Sehr viele Drehbucharbeiten hat er nicht abgelegt. Aber diese hier zählt auf jeden Fall in die Kategorie „Sehr gelungen“. Wer davon begeistert war, dem sei der Film Mr. Brooks – Der Mörder in Dir (2007) an Herz gelegt. Stand by Me ist vom großen Hit „Stand by Me“ abgeleitet, den Ben E. King einst im Jahr 1961 performte. 1986 kam dieser Song erneut in die Charts. Im Musikvideo selbst haben die beiden Darsteller Will Wheaton und River Phoenix einen Auftritt. Die Geschichten über die Charaktere am Ende des Filmes sind zumindest für einige Hauptdarsteller ebenfalls zutreffend: Corey Feldman war im Laufe seiner Drogenkarriere inhaftiert, und Wil Wheaton ist heutzutage als Autor tätig.

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Steht im Mittelpunkt des Geschehens: Gordi (Wil Wheaton), links im Bild. © 1986 Columbia Pictures Industries, Inc. All Rights Reserved.

Bei Wheatons gespielter Figur Gordie sieht man nicht nur den Jungen in der Gruppe, sondern auch seinen Stellenwert in der Familie. Er ist zurückgezogen und leidet unter der Autorität seiner Eltern und schafft es nicht, sich zu wehren. Trost und Rückhalt findet er nur bei seinem Bruder Denny (John Cusack). Doch auch Gordie muss einmal lernen, mit bestimmten Situationen anders umzugehen, genauer gesagt seine Komfortzone zu verlassen. Dazu gehört Mut zu zeigen, auch wenn es schwerfällt. Dies sehen wir nicht nur, sondern können es auch fühlen. Und diese Momente geben dem Film die sogenannte Quintessenz. Doch Gordies Bruder ist während der Handlung bereits verstorben. Aber man sieht Szenen aus seinen Erinnerungen, die seine jüngere Vergangenheit näher beschreiben. So werden wir Zeuge davon, dass eben solche Szenen sepiafarben gehalten sind. Dies geht auf die Idee von Kameramann Thomas Del Ruth zurück, der oftmals auch als Regisseur der Fotografie im Film für die gedrehten Szenen verantwortlich war. Die Vergangenheitsszenen mit diesem Look verdeutlichen, dass diese Szenen für Gordie so nicht mehr existent sind. Eine Bildsprache, die während des Filmes eine wunderschöne Wirkung für das schauende Publikum besitzt. Mit zunehmender Spieldauer gewinnt der Film einen düsteren Unterton, was daran liegt, dass wir einfühlsam mehr über die vier Charaktere erfahren, die es alles andere als leicht im Leben haben. Aber für Gordie ist es dazu eine Art Trauerbewältigung, welche im Film nicht nur mit seinen Erinnerungen aufgearbeitet wird. Nur zu Beginn gibt es lustige Szenen. So zum Beispiel als Chris Gordie eine Knarre in die Hand drückt und ihm versichert, dass sie nicht geladen ist. Doch das Gegenteil tritt ein, als Gordie den Abzug betätigt. Natürlich ergreift man in solchen Situationen die Flucht. Gehört werden sie von einer Kellnerin, die den Schuss für Knallkörper hält. Diese Dame wird in einer kurzen Szene von Madeleine Swift gespielt, die einst als Assistentin von Rob Reiner fungierte.

Stand By Me ist wahrscheinlich die beste Kino-Verfilmung eines meiner Bücher. Der Film ist werkgetreu und verläuft emotional ganz ähnlich wie die Geschichte. Er hat mich sehr bewegt, als ihn mir Regisseur Rob Reiner damals in einem Hotel gezeigt hat. Ich habe Rob umarmt, als der Film vorbei war. Stand By Me hat mich zum Weinen gebracht, so nahe war er mir.“

Der Buchautor Stephen King über die Filmumsetzung seines Romans.

Soundtrack zu der spielenden Zeit passend

Für den Score im Film sorgte Komponist Jack Nitzsche (Der Exorzist (1973), Einer flog über das Kuckucksnest (1975)), der auf der Grundlage von Ben E. Kings Song „Stand by Me“ komponierte. Er arbeitete bereits bei der Entstehung des Songs im Jahr 1961 mit. Ergänzt wurde diese mit Songs aus der Rock ’n’ Roll Ära, die sich Ende der 1950er Jahre einer großen Beliebtheit erfreuten. U.a. sind Interpreten wie Buddy Holly – „Everyday“Jerry Lee Lewis – „Great Balls of Fire“The Chordettes – „Lollipop“ oder The Del-Vikings – „Come Go with Me“ dabei. Auch Ben E. Kings „Stand by Me“, welches erst 1961 erschien, kam im Film vor. Ein Anachronismus konnte aber verhindert werden, da er erst im Abspann gespielt worden ist. Alles in allen tolle Stücke und bekannte Songs, die diesem Film das besondere Etwas verleihen.

Gedreht wurde hauptsächlich in Kalifornien und Oregon. Letzteres war auch Kulisse für den Stummfilm Der General (1926) mit Buster Keaton und besticht in beiden Filmen durch beeindruckende Naturlandschaften. Das Budget betrug ca. 8 Mio. US-Dollar. Knapp 243.000 US-Dollar wurden am ersten Wochenende eingespielt und in den gesamten USA wurden rund 52 Mio. US-Dollar an den Kinokassen erreicht. Bei der Zugszene mit Gordie und Vern wurde ein 600-mm-Langfokus-Objektiv verwendet, was dafür sorgte, dass bei der Aufnahme das Bild am Teleende stark komprimiert wurde. Dies hatte zur Folge, dass man den Eindruck gewann, der Zug wäre direkt hinter den beiden Jungs gewesen. Regisseur Reiner ist als Nichtraucher bekannt und setzt sich für Anti-Raucher-Gesetze ein. Dennoch rauchen seine Charaktere im Film. Jedoch wurde hierbei kein Tabak, sondern Salatblätter verwendet. Außerdem war Reiner lange unzufrieden, weil kein Vorsprecher für die Off-Stimme passte. Eines Tages sprach Richard Dreyfuss vor, der die Erwartungen von Reiner erfüllen konnte. So spielte er dann auch die wenigen Szenen, in denen er ebenfalls überzeugen konnte. In eben solchen Sequenzen hatte er eine ruhige und zugleich träumerische Ausstrahlung. Aus dem Off, mit der Stimme, lag darin oftmals etwas Zynisches. Perfekt also für einen Writer.

Atmosphäre pur!

Gedreht im Jahr 1986 und geschichtlich angesiedelt im Jahr 1959. Eine Zeit, in der noch andere Werte als Computerspiele, Handys oder Fast-Food zählten. 1987 gab es eine Oscarnominierung für das Beste adaptierte Drehbuch (Raynold Gideon und Bruce A. Evans). Es ist das Abenteuer vierer Freunde, die auf ihrer Reise auf mehrere Proben gestellt werden. Wer einen Blockbuster mit echter Atmosphäre erleben möchte, ist hier genau richtig. Ein Erlebnis für Jung und Alt. Eine Botschaft auf Freundschaft und wofür sie alles stehen könnte. Die Darsteller haben im Einzelnen als auch in der Gruppe großartige Momente. Sensibel, stimmungsvoll und witzig. Besser kann eine Romanverfilmung nicht sein.


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Streamen auf: Amazon Prime oder MagentaTV


Quelle des Beitragsbildes: © 1986 Columbia Pictures Industries, Inc. All Rights Reserved.
Die Zitate wurden den Extras der BD-Ausgabe aus dem Jahr 2011 entnommen.


Lesenswerte Kritiken von anderen Bloggern zum Film:

Stand by Me: Das Geheimnis eines Sommers (1986)
Stand By Me (Kritik von Frank Münschke auf KinderundJugendmedien.de)


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